Yangon – nimmt mich in den Arm

Die Nacht in Bangkok war eine Erholung von dem permanenten Standby-Stress des Fliegens. In der Vergangenheit durfte ich die Stadt schon aus vielen Aspekten sehen, jedoch noch nie aus dem Blickwinkel, dass man rein gar nichts von ihr will. Es war ein guter Stop, aber ich freute mich auf die Weiterreise nach Yangon. Die Kontrollen am Flughafen habe ich etwas unterschätzt, weswegen es mit meinem Flieger etwas knapp wurde. Aber gut, dass man ja durch das Laufen im Training steht. War eng, aber es musste auch niemand auf den Herrn Sprenger warten oder ausrufen lassen – so viel zu meiner Ehre und Kondition. Hat also niemand gemerkt… Mit dem Frühstück im Flieger gestärkt, hatte ich nach der Landung und den Einreiseformalitäten die Wahl der verschiedenen Möglichkeiten nach Yangon-City zu kommen. Mit Taxi wäre die Schnellste gewesen. Aber ich habe mich ja nicht für Myanmar entschieden, um Geschwindigkeitsrekorde aufzustellen, sondern wollte ich von Anfang an Tempo rausnehmen und gegen Abenteuer und Erfahrung tauschen.

Also entschied ich mich, wie sich im Nachgang rausstellen sollte, für die beste und wohl für einen Touristen in Yangon nicht übliche Weise, den Zug zu nehmen. Dieser hat am Flughafen keine Station, sondern man läuft ca. eine halbe Stunde durch ärmere Vororte und Wellblechhütten. Auch hier hätte man sicher ein Taxi nehmen können, aber ich wollte in Ruhe ankommen. Genoss meinen Weg durch das Gelände, die vielen freundlich grüßenden, aber auch sehr neugierigen Locals, die kleinen Gespräche in gebrochenem Englisch bei Kauf von Wasser und Obst und beim Fragen nach dem Weg und Ticket. Der Zug in meine Richtung sollte erst in einer Stunde kommen – für mich in Deutschland eine sehr lange Wartezeit, aber der Bahnsteig war voll und so konnte ich etwas in den Sound der Sprache, der Mode, der Sitte des Schminkens eintauchen – dem Thanaka, eine auf die Wangen dick aufgetragene Paste aus geriebenem Sandelholz, die etwas an nicht ordentlich verriebene Sonnencreme erinnert. Ebenso verblüfft stellte ich das gekonnte Spucken meiner Mitwartenden fest, welches hier absolut zum Alltag gehört. Dabei wird sich des durch das Betelnusskauen hervorgerufenen rot gefärbten Speichels entledigt, was beim ersten mal erschreckend gefährlich nach Blutspucken aussieht. So sieht man auch überall die roten Flecken am Boden. Bevor ich in Ohnmacht kippte, sah ich dies dann noch bei weiteren Wartenden und mein Reiseführer in Buchform klärte mich auf. Die Zähne werden nach jahrelangen Kauen rot und dann schwarz. Das gilt hier als schick – schlecht für die Zahnärzte. Wenn man oberflächlich hinschaut, scheint es, als wären gar keine Zähne da und das Zahnfleisch etwas höher. Ok, Bilder – raus aus meinem Kopf!!

Die Zugfahrt verschaffte mir einen tollen Überblick über die Stadt und Umgebung. Der Zug fuhr maximal 50 km/h, meistens langsamer. Während der Fahrt wurden Eier und Obst wie Snacks angeboten und etliche Locals aßen diese auch genauso, wie man bei uns einen Snack verzehren würde.

Der Fußweg von dem Bahnhof zum Hostel war wieder ein Genuss und ich tauchte in die alten, in Kolonialzeiten angelegten Straßen ein. Man sieht viele historische, jedoch oft verfallene Häuser, die scheinbar zu wenig Aufmerksamkeit von der Regierung genießen. Teils sind sie bewohnt, teilweise auch nicht mehr.

Nach einer kurzen Akklimatisierungspause im Hostel, wollte ich unbedingt die nähere Umgebung kennenlernen, nun aber mit leichterem Gepäck. Die Sule-Pagode auf einem Kreisverkehr ist mir als Erstes in den Sinn gekommen, sie ist die zweitgrößte in Yangun. Gerade bei Sonnenschein strahlt die goldene Pagode ein sehr warmes Licht aus und ist ein guter Orientierungspunkt. Danach ging ich auf dem Weg zu einem Mönchskloster namens Tharthanawdaya, welches schon fast eine kleine eigene Stadt ist, an einem traditionellen Markt, einer katholischen sehr gut in Schuss gehaltenen Kirche und dem Hospital vorbei. Immer durch Menschenmassen schlängelnd und dem Gefühl, das Opfer zu sein, wenn man eine Straße überquert. Aber in ein paar Stunden hat man das drauf und blindes Vertrauen in sein Schicksal.

Alles buddhistisch eben.

In den Straßen ist zum Abend so ein heftiger Auto- und Busstau, dass ich meine Rückreise zum Hostel auch wieder zu Fuß antrat. Da ist man wirklich viel schneller. Über den Tag konnte ich mich mit Myat Su und ihren Freunden zum Abend verabreden. Sie hatte die geniale Idee, mir die Shwedagon Pagode am Abend zu zeigen, wo diese eigentlich nur für Locals zugänglich ist und wollte mich danach auf eine Karaoke-Geburtstagsparty mitnehmen.

Was soll ich sagen, es war wirklich ein tolles Ereignis, sie ein halbes Jahr später, nach dem ich sie in Berlin das letzte Mal getroffen hatte, in ihrer Heimat mit ihren Freunden wieder zu sehen. Genaugenommen muss ich meinem Freund Henning dafür danken, denn nur durch ihn und sein Tourismus-Geschäft habe ich Myat Su durch die ITB 2014 überhaupt kennengelernt. Die beiden kennen sich beruflich sehr viel länger, da Myat Su ebenfalls ein sich gut entwickelndes Tourismus-Büro in Myanmar unterhält. An dem Abend damals folgte noch eine unvergessliche Party mit Henning, Achim und den Burmesen im originalen WhiteTrash. So entstand eine interessante Bekanntschaft, welche auch zur diesjährigen ITB wieder gepflegt wurde. Myat Su hatte schon damals die Kontaktdaten ausgetauscht, wo ich eher noch nicht davon ausgehen konnte, sie in ihrer Heimat wieder zu sehen.

Sie hat mich mit ihren Freunden und ihrer Cousine durch die Shwedagon Pagode geführt, eine der Bedeutendsten und wohl größten Pagoden weltweit. Duong erklärte mir viel zu den Nats – Geister, welche für die verschiedensten Sachen Gutes oder Schlechtes bewirken können. Diese sollten regelmäßig angebetet werden oder eben auch die Universen-Buddhas. So habe ich meinen Geburts-Buddha gepriesen. Ist zufällig der gleiche, an dem auch Barack Obama sein Werk verrichtete. Es war beeindruckend, diesen heiligen Platz nicht nur aus Sicht des Touristen zu sehen, sondern durch die Gruppe auch die Rituale erklärt zu bekommen. Bis hin zu Details, wann von welcher Stelle aus der Diamant in der Fahne über den Pagodenschirm in der Nacht in verschiedenen Farben funkelt. Davon ist nicht mal im Reiseführer zu lesen.

Nach dem beeindruckenden und mystischen Erlebnis – nein, ich bin jetzt nicht Buddhist – ging es zusammen zur Party. Min hat in einer Karaokebar die Korken richtig knallen lassen und ich fühlte mich von der ersten Sekunde an von den herzlichen, mir noch fremden Leuten aufgenommen. Es waren viele interessante Gespräche über die Entwicklung Myanmars, persönliche Wünsche und Neugier zu Deutschland. Es wurde viel gelacht, getanzt, schräg gesungen, getrunken und gegessen. Burmesen wissen auch, wie man feiert. Die Party ebbte aber dann irgendwann ab, es war 0.00 Uhr Mitternacht, mein Körper hatte jetzt erst recht kein Zeitgefühl mehr und ich dachte, jetzt werde ich ins Hostel fahren. Die Freunde und Myat Su hatten aber schon weiter geplant und wollten noch in einen Club gehen. Wirklich ein edler Laden mit feinsten manchmal etwas harten Elektro. Aber alles gut tanzbar. Nach vielen Drinks noch mehr Spaß und weiteren großartigen Gesprächen bin ich wirklich beeindruckt, was Yangon zu bieten hat. Alle umarmten sich, und hier merkte ich – sie machten da bei mir keinen Unterschied. So heftig und intensiv, mit so vielen Eindrücken und Herzlichkeit an nur einem Tag hat mich noch kein fremdes Land empfangen.

Ca. 4 Uhr viel ich ins Bett und dachte mir, was ist Backpacken anstrengend, wie schön intensiv und nach dem Schlaf wird ordentlich erholt, weil ich meine Hauptsehenswürdigkeit schon am Abend bekommen hatte. Morgen also Yangon von der Seite der Ruhe kennenlernen. Mal sehen, wie das geht …